sodrinkme


"Du meinst jetzt was genau mit Arroganz? Etwa die Angst hier einfahren zu können, und so mich zu schützen?" Linda, wirklich diesen Ausdruck noch lange beibehaltend. "Es war nicht so gemeint, aber ich glaub immer alle Menschen sofort durchschaut zu wissen und will dann ... einfach.. na ja, ich finde Dich wirklich hübsch. Obwohl ich da drin Dein Gesicht kaum erkannt hab und zu offensichtlich hab ich mich dann auch nicht zu schauen getraut, erst als Du draußen Deinen Hut raufgetan hast, hab ich es erst wirklich gesehen, auch die Jacke, ich mein, ganz erinner ich mich nicht, was da auf der Rückseite stand, aber es hat mir gefallen. Du trägst auch einen Rock über die dicke Strumpfhose, Du denkst wohl ich finde das total out, Hippiemist, oder so, aber tu ich nicht, auf keinen Fall." Billie-Joe und hat auch kurz daran gedacht ihre Hand zu nehmen. "Nein, wirklich nicht, auch wär's mir ziemlich egal, wenn Du den Rock scheiße finden würdest. Ich hab mich so entschieden und da kann ich auch stur sein. Willst Du einen Schluck? Du kannst gern was haben. Is halt nur Wasser. Aber wenn Du willst? Okay, willst Du nicht. Is gut." Linda trinkt einen Schluck. Sieht Billie-Joe dabei an. Dann die Augen wieder zu. "Ich nehm doch einen. Ach so, nein trink den letzten Schluck auch noch aus, ich hab echt keinen sonderbaren Durst." Sie trinkt aus und dreht den Schraubdeckel zu, fest zu. Linda sieht Billie-Joe dabei kurz an. So als ob sie ihn ansehen würde um zu erfahren ob er wirklich der ist für den sie ihn hält, sie hält ja bis jetzt eigentlich viel von ihm. "Sieht toll aus hier, oder? Ich mein, wie sie alle Schlittschuhlaufen. Hättest auch Lust? Ich hab leider keine Schuhe dafür, aber ich würd sowieso nur herumliegen, denk ich. Bist Du gut darin?" Er denkt an den Toast, den er hier schon einmal gegessen hat, vom Käse war nur mehr wenig zwischen den Scheiben, was ihm ja nicht sonderlich viel ausmachte, aber was die Serviette daran zu kleben brachte. "Ich denk schon, aber hab's auch schon länger nicht mehr versucht. Ist mir aber eher egal, vielleicht muss man öfter traurig sein oder zumindest verliebt, um davon stärker begeistert zu sein. Bist Du nur gelegentlich hier drin oder hab ich Dich nur versehentlich noch nie gesehen, oder ich mein es könnte ja sein, dass Du mir vorher einfach nicht aufgefallen bist. Bist du oft hier?" Sie macht sich nicht verdächtig. "Ja, doch, so wenn man es als Durchschnitt angegeben haben will, könnte ich sagen so zweimal die Woche, aber halt nicht in der Regelmäßigkeit, wie es jetzt klingt, also manchmal, drei, vier Mal, manchmal ein Monat nicht. Was aber eher fast nie der Fall ist, es sei denn ich bin auf Urlaub. Oder wo anders. Was aber auch nicht extrem oft passiert." Billie-Joe möcht jetzt umarmt werden. Alles wie es immer war, also nicht neu oder so, aber doch ist er angetan davon. "Du bist auch sehr hübsch." Sie blickt nach oben, den Mund etwas schräg gezogen, als ob sie von oben bis unten immer dünner zusammenlaufen würde, zu einem Punkt, der aus dem Asphalt wächst. Man könnte das nicht mal zeichnen, so gut sieht das gerade aus. "Danke. Ich wollte Dir das auch schon längst sagen. Bist Du auch etwas müde?" Es weht etwas der Wind. "Hast Du schon längst gesagt? Erinnerst Du Dich nicht mehr. Ich werd's nicht vergessen, oder hättest Du es vergessen, wenn ich es gesagt hätte. Hab ich ja auch schon, siehst Du hast Du sicher nicht vergessen. Ja, bin auch müde. Ich bin ja auch fast den ganzen Tag gestanden. Hab auch gar nicht so viel gegessen. Willst Du Dich kurz hinsetzen? Hier, oder dort, dort sieht's schön aus." Linda zeigt mit dem Finger in diese Richtung. Hält den Arm recht lang oben. "Nein, nein. Nicht gleich. Ich würd noch stehenbleiben, wenn ich nämlich meine Hände hier in die Tasche von diesem Pullover steck, dann bildet das eine stabile Konstruktion, und wenn ich dann den Kopf noch ein wenig einzieh, will ich nie wieder sitzen. Ich weiß, nicht gerade beeindruckend, aber doch weniger ehrlich gemeint, als dass ich es nur so gesagt hab, als ob es mich wirklich schon zuvor einmal beschäftigt hätte. Hat es nämlich nicht. Außer Du willst vielleicht sitzen, ich mein, wo Du doch den ganzen Tag gestanden hast. Wie, oder wobei steht man eigentlich den ganzen Tag?" Sie hat ihre Zehen zusammengerollt, da diese aber im Schuh sind, sieht das keiner, er auch nicht, obwohl sich dadurch die Schuhe, ein ganz klein wenig, nach oben stellen. "Ist das wichtig, also ich möcht's Dir jetzt nicht erzählen. Ich kann noch stehen, macht mir im Grunde überhaupt nichts aus. Ich lüg Dich auch nicht an, wie ich das vielleicht gemacht hätte, wenn ich Dich nicht sonderlich mögen würde. Ich mag Dich aber. Mag wie Du hier so meistens an mir vorbei siehst. Hast Du etwas Angst oder? Mir ständig ins Gesicht zu schauen, mein ich." Er lächelt, was er immer macht, wenn er sich wirklich freut. "Ja. Hab ich. Ich versuch's auch meist zu verbergen und seh dann in die Gesichter der Leute. Aber heute fühl ich mich so frei, es nicht verbergen zu wollen. Ich hab auch nicht das Gefühl Dich damit zu beleidigen. Ich seh Dich aber gerne an. Brauch aber diesen Abstand, um das alles auch zu verarbeiten. Aber weißt Du eh, vermut ich." Billie-Joe sieht ihr fasziniert ins Gesicht, aber mehr fasziniert von sich selbst, aber nicht irgendwie egoistisch oder selbstverliebt, sondern echt nett überrascht. Sie macht das ähnlich. "Denkst Du so Sätze öfter schon wenn Du alleine bist aus. Und bringst dann auch die schon vorbereiteten Antworten. Also ich mach das oft. Man könnte sagen, so wie Du das so schön gesagt hast, regelmäßig. Und bin dann immer wieder begeistert, dass so was funktioniert, dass ich nicht zu nervös werde, und es dann nicht sage. Das hat mir einmal eine Freundin empfohlen und zuerst hab ich es beschissen gefunden, aber dann hat es mir gefallen, als ich es getan hab, und ich mach es ja nicht ständig, es ist nur schön, wenn es klappt." Sie dachte gerade daran, dass sich beschissen anhört was sie redet, ist sich aber nur kurz böse. Jetzt würd sie auch einmal gern seine Hand halten. "Mach ich schon. Macht ja glaub ich jeder. Aber stimmt, manchmal fürcht ich mich auch davor, aber beschissen, na ja, find ich's auch manchmal. .. Wir könnten kurz Platz tauschen, so dass die Laterne, die mich blendet auch mal Dein Gesicht aufhellt, das würd ich gern sehen. Oder nicht? Ist jetzt nicht so wichtig, dass es sofort geschehen muss. Also bleib, wenn Du möchtest, ich bin nicht enttäuscht oder so. Es macht so auch einen recht guten Eindruck." Es geht wieder der Wind. Eine kurze Böe. "Dann bleib ich so." Jetzt sieht auch sie kurz weg, ich denk, weil jemand vorübergeht. Billie-Joe bewegt den Kopf auf ihre Augen fixiert mit. "Eigentlich, na ja, wieso nicht. Ich summe gerne Radiohits. Ich singe auch lautstark wenn ich herumgehe. Es ist nicht so, dass es mir nicht auffällt, mir fällt ja meist alles auf, was ich tue, aber mach's doch zu gern, als dass ich dann einfach so aufhören könnte. Möcht ich schon manchmal. Aber es hat sich ich glaub noch kaum jemand belästigt gefühlt, obwohl ich bestimmt hässlich dabei aussehe, so wie meine Unterlippe dabei mit Sicherheit runterhängt." Bevor er Unterlippe sagt greift Linda mit ihrer Hand auf diese. Starrt darauf, aber nicht in seine Augen. "Ich hätt Dich jetzt gerne geküsst. Aber jetzt hab ich's gerade erwähnt. Also wart ich noch besser, oder? Ich weiß nicht genau, ich möchte zwar etwas aufdringlich sein, aber so offensichtlich ist das schon wieder lächerlich. Vermisst Du das manchmal, so geküsst zu werden? Ich vermiss das am Meisten." Sie nimmt die Hand nicht runter, lässt sie oben. An der Lippe. "Okay, aber ich wär schon überzeugt gewesen. Ich vermiss es schon, bin aber nicht wütend deswegen. Trotzdem, ich denk darüber nach. Das hier bedeutet mir viel. Und passend dazu hab ich mir heut auch, also bevor ich wegging, unmittelbar davor, die Haare so gemacht, dass ich das Gefühl hatte, jemanden damit beeindrucken zu können. Zumindest bin ich selbst beeindruckt." Er sieht zuerst auf ihre Schuhe, bevor er wieder ihr Gesicht anfixiert. "Ich hab die Schuhbänder nicht offen, oder? Ich mein, weil Du darauf gesehen hast. Hast Du doch oder? Kann ja sein, dass Du nur runtergesehen hast und Dir gar nicht gemerkt hast, was da unten zu sehen war. Du würdest aber nicht Menschen nach deren Schuhe beurteilen? Oder?" Linda sieht auf seine Schuhe. "Nein, ich denk nicht, dass ich das mach, wär mir nicht aufgefallen. Obwohl mir so Sprüche schon immer wieder einfallen wie: sieh Dir seine Schuhe an, dann weißt Du was für ein Mensch er ist oder lauf zuerst drei Monde in seinen Mokassins, bevor du über einen Menschen urteilst, aber nein, der zweite war jetzt eher fehl am Platz. Ach ich Idiot. Aber es ist schon oft so, dass ich Menschen nicht sympathisch finde, wenn ich das Gefühl hab sie finden mich nicht attraktiv." Billie-Joe nimmt die Hände aus den Pullovertaschen und steckt sie in die Hosentaschen. "Ich hab das früher öfter so gemacht. Wenn mir Schuhe nicht gefielen, dann haben mich auch die, die die Schuhe anhatten nicht überzeugen können. Außer vielleicht er wusste, was er durch diese hässlichen Treter für eine Wirkung auf mich hatte. Ich bin ja eigentlich sehr einfach zu durchschauen, was aber nicht heißt, dass mir alles auffällt, was ich an mir nicht mag. Aber heut kommt das nicht mehr so durch, da hab ich eine andere Beziehung zu Schuhen und fühl mich nicht angegriffen, wenn sie grauenhaft sind, außer es sind meine, mit mir bin ich nach wie vor hart geblieben. Obwohl ich mich doch öfter herausfordere und einfach anziehe, was mir nicht gefällt. Hab aber nicht vor barfuss oder nur in Sandalen umherzuwandern. Haben wohl schon zu viele vor mir getan." Es geht wieder der Wind. Er greift nach ihrer Hand, die sie zu seinem Mund geführt hat, nimmt diese langsam runter, hält sie einen Moment fest. Dann lässt er sie los, sie baumelt runter, schlägt locker gegen ihren Oberschenkel. Sie lächelt. "Ja? Gut dann solltest Du Dich einfach bei Dir zu Hause einsperren. Und ganz genervt tun, wenn jemand anklopft, so als ob Du so Wichtiges machst, als ob Du alles neu erfinden würdest. Und irgendwann fällt Dir dann was ein, etwas, dass noch keiner vor Dir gemacht hat. Und damit mein ich nicht Fischköder, die würden mich nicht umhauen." Die Lampe flackert einmal. Sehr kurz. Man muss es vielleicht gar nicht bemerken. "Du hältst Dich gut. Du bist nicht betrunken oder? Also nicht, dass ich das jetzt als sehr schlimm empfinden würde, aber Du siehst nicht aus, als ob Du betrunken wärst, aber so sieht eigentlich nie jemand aus. Siehst Du jetzt fang ich schon wieder damit an. Stört Dich nicht oder?" Es strömt Luft durch ihre Nasenlöcher, die vielleicht am Boden auf seine Schuhe trifft. "Ich hab nicht getrunken. Aber Du, wie Du schon richtig erkannt hast, hättest es auch nicht gemerkt, wenn ich getrunken hätte, ich hätte nicht einmal danach gerochen." Billie-Joe öffnet den Mund ein wenig, er setzt sozusagen zum Gähnen an, hört aber auf bevor es ein richtiges Gähnen wird. "Ich kann Alkoholgeruch von normalem Mundgeruch nicht unterscheiden, was nicht bedeutet, dass ich keinen Alkohol trinke. Aber ich will Dich nicht provozieren, okay? Hier." Linda kratzt sich mit einem Finger am Oberschenkel. Er bemerkt dies sehr wohl. "Ist ja auch nicht wirklich wert darüber zu reden. Oder möchtest Du vielleicht?" Er streckt die Finger in ihre Richtung. "Möcht ich was? Darüber reden. Nein, muss nicht sein. Aber glaubst Du nicht, dass wir hier etwas gefährlich stehen? So knapp neben der Straße. Ich weiß, sehr komisch, dass ich jetzt erst darauf komme, aber manchmal da denk ich mir, es ist besser der Gefahr aus dem Weg zu gehen." Und sie macht einen sehr kleinen Schritt auf Billie-Joe zu. "Glaubst Du, dass wir hier überfahren werden könnten, hier sind ja um diese Zeit doch nicht so viele Autos, auch nicht allzu oft die Straßenbahn und deren Schienen sind aber mindestens fünfzehn Meter entfernt von uns. Außerdem ist das hier kein Platz, von dem ich in der Zeitung gelesen hätte, dass hier permanent Leute überfahren werden, ein Auto ausbricht, weil ja viel zu schnell, hier rüber rattert und zwar bremst, was aber nichts mehr nützt, weil die Reifen in der Luft sind, und uns rammt. Das einzige was hier häufig herumfährt sind die vielen Busse, mit den Touristen, aber die fahren so langsam, dass ich persönlich wenig angst hab, nicht dass ich gar keine hätte, um hier Woody Allen zu zitieren, meine Angstneurosen sind der beste Fitnesstrainer, oder so ähnlich, aber wir können gern wo anders hin gehen, so gut gefällt's mir hier auch wieder nicht. Und bestimmt muss man ja nichts heraufbeschwören." Er hat einen Augenblick wieder weg gesehen, sie im selbem Moment gezwinkert. "Nein, egal. Bleiben wir hier. Das Gefühl hat sich ohnehin schon längst aufgelöst. Das geht meist recht schnell wieder vorüber bei mir, ich bin da nicht so konsequent, stur bin ich nur in meiner konsequenten Inkonsequenz, aber das klingt ziemlich bescheuert, das wollt ich jetzt wirklich nicht, so pseudo, mein ich. Aber so was rutscht mir manchmal raus. Macht ja nichts, dafür hab ich sonst kaum Fehler." Die Finger sind jetzt nicht mehr zu ihr hin ausgestreckt, er lässt die Hand aber auch nicht lässig runterhängen. "Schon gut. Wirklich, es hat mir gefallen. Das war schön. Warum sollte ich da was nicht gut heißen? Also mir tut's nicht weh. Tut's wirklich nicht. Ich sag das auch nicht nur so. Trotzdem wundert es mich immer noch, dass ich Dich heut das erste Mal hier gesehen hab, ich geh wirklich oft hierher, und ich merk mir quasi jedes Gesicht, aber na ja scheiße. Ich wiederhol mich wirklich die ganze Zeit, mir kommt es vor, als ob ich noch nie jemandes was Neues erzählt hätte, sondern mich in einer endlosen Schleife, mich immer immer noch einmal abspiele. Und was das Schlimme daran ist, obwohl ich mir bewusst bin, dass ich das mache, passiert es jedes Mal." Billie-Joe macht eine kreisende Bewegung mit dem Arm. "So in der Hinsicht gefällt's mir aber ohnehin besser, dann wirst Du mich heut wohl nicht mehr sonderlich überraschen können. Ich mein, Du kannst ja machen, was Du willst. Aber wenn ich hier jetzt blutverschmiert Dir gegenüber stehen würde, wär zwar ein intensiveres Gefühl anwesend, und all das wär auf jeden Fall ehrlicher, und mein Herz würde pochen, bis hinüber zum Hals, so dass Du es heftig spüren würdest, wenn Du die Hand an meine Brust legst, aber irgendwie wär dann alles zu schnell, es würd unfassbar schnell gehen, so, dass ich dann vermutlich zu Hause am Boden liegend, wieder nachholen müsste, wieder ordnen, was ich hier versäumt hab. Aller Wahrscheinlichkeit nach, nackt." Die Haare, die ihr jetzt ins Gesicht hängen wirft sie zurück und dann führt sie sie hinters Ohr. "Und hättest die ganze Nacht nicht geschlafen, vielleicht ein zwei Mal aufgestanden, um was zu essen, was dann vielleicht nicht, das gewünschte Resultat bringt, aber doch kurz wenigstens ein Unwohlsein, dass dann wieder ablenkt und erst wieder dazu führt, dass Du von vorne beginnen musst. Musst Du doch dann? Oder hört es dann irgendwann auf? So wie Eisenbahnschienen. Das sieht dann so toll aus. So diese verstrebten Eisendinger, die das schwere Holz oben warnend entgegen stützen, und darauf schwarz weiß schwarz, in Kreisform, das Schildchen." Er macht wieder eine kreisende Bewegung, diesmal aber ein bisschen kleiner. "Merkwürdig. Ich hatte die gelb oder beinahe rot in Erinnerung. Aber ich hab die sicher schon zu oft übersehen. Versehentlich. Ich hatte halt nicht daran gedacht. Aber ich bin auch noch fast nie mit der Eisenbahn gefahren, mochte ich nie, mag ja niemand glaub ich. Vielleicht, wenn ich vorne sitzen dürfte. Durfte ich nie. Aber bin trotzdem glücklich, dass sie existiert. Andersrum müsste ich nämlich darauf verzichten. Und davon hätte dann niemand etwas. Mit Ausnahme denen, die sich nicht mehr vor den Zug werfen können, aber ob ihnen das wirklich was bringt. Bringt vermutlich nichts, und wenn ich dann spazieren gehe, den alten überwachsenen Schienen entlang, und alle paar Kilometer liegt ein Skelett von den Menschen, die auf den Zug warten, meist sind die Krähen schon weggeflogen, da ja nur noch ausgetrocknete Knochen umherliegen, da ist ja wahrhaftig nichts Nahrhaftes mehr dran, und ich würd mich hinknien und mir überlegen, ob es ein alter Mensch war. Nicht dass es mir dann egal wär, im Grunde genommen mach ich da keinen Unterschied, denn Dummheit beginnt meist mit zwölf, dann verlernt man sie manchmal kurz wieder, aber sie kommt immer wieder und im Grunde hat ja noch nie jemand was gelernt. Trotzdem würd ich bei einigen Blumen hinstellen, die mich dann doch zum weinen bringen. Umdrehen würd ich dann am ehesten an dem Punkt, an dem ich mich verzähl oder kein Gefühl mehr in den Zehen hab, es ist ja Winter. Und da sollte doch wenigstens ein Pullover getragen werden, auch wenn man im Sommer nicht immer kurze Röcke trägt, nicht weil ich es nicht will, aber ich einfach nicht mehr hab. Ich hätt auch wem von der Leiche hier auf den Gleisen erzählen können, der dann veranlasst, dass man all die Überreste zusammenklaubt und was weiß ich, was der dann damit macht, ... wahrscheinlich behält er sie dann selbst, oder verkauft sie übers internet, er stellt aber keine Photos rein, nein, das wär nicht, was er wollte, vielleicht aber als Überraschungspacket versenden. Das wär doch was. Hast Du schon einmal was gekauft, von dem Du nicht wusstest, was es ist? Ich denk ich nicht, würd ich auch nie machen, da will ich schon vorher wissen, dass es mir wenigstens nicht gefällt. So wie man Plakate stiehlt, die so grauenhaft sind, dass man sie dann nur zusammenrollt und hinter den Fernseher stellt. Und dann doch erst wieder mit nimmt, wenn man übersiedelt, weil Du überhaupt nicht nachsiehst, wie die aussehen. Hast Du schon einmal daran gedacht ein Plakat von Dir, eng zusammengerollt und mit einer Plastikfolie überzogen, in diese Dinger zu schieben, die es, ja fast überall, gibt. Da wo Du oben das siehst was drauf ist und eine Nummer dabei und unten in den kleinen Fächern liegen die eng zusammengerollten und mit einer Plastikfolie überzogenen, teilweise echt großen, Poster und Du suchst Dir oben die Nummer raus, zuerst entscheidest Du natürlich, was Du für ein Poster ersetzten willst, vielleicht Elvis, weil Du ihm so ähnlich siehst oder um den King nicht zu beleidigen, weil Du ihn doch magst, nimmst Du die Poster, wo Katzen oben sind oder vielleicht Sonnenuntergänge und schiebst sie in das Fach und nimmst den Sticker mit der Nummer von einem anderen runter und klebst es auf Deins. Und Dieter oder Margot, nur einer von beiden, lacht sich kaputt, weil sie Dich echt bezaubernd findet. Ich würde das jedenfalls, ich finde Dich bezaubernd." Sie kratzt sich an der Kniescheibe. "Ja? Ich würde, denk ich, im Schlaf sprechen, wenn ein so ein Mensch über meinem Bett hängen würde. Ich müsste es zwar nicht über das Bett hängen, aber wohin sonst?, wenn ich's doch extra dafür gekauft habe. Aber mit Sicherheit könnt ich Dir dann davon erzählen, bevor Du so richtig einschläfst, ein bisschen, bist Du ja dann in dem Moment, sicher schon weggetreten. Und wenn Du dann am nächsten morgen aufwachst, denkst Du wieder daran, nach dem Du Dich an ihm erschreckt hast und dann würdest Du bestimmt herausfinden wollen, wer es wirklich war und damit könnt ich dann nicht mehr liegen und darüber nachdenken und mich ärgern, dass ich zu faul bin, um den Namen zu dem Gesicht zu finden. Und deshalb müsste ich Dich entweder nicht einladen oder es runter nehmen, wenn Du kommst. Ich möcht Dich gerne einladen." Billie-Joe fühlt sich jetzt schlecht gekleidet und hätte gerne, was anderes an. "Ich würde mich ja gerne trauen mit nein zu antworten, aber hätt ich dann angst, dass Du mich nicht wieder fragst. Hättest Du aber doch getan oder?" Linda stößt einen Laut der Erleichterung aus, kurz bevor er den Grund dazu gibt. "Dich noch einmal gefragt, obwohl Du mir gesagt hast, dass Du dieses Mal noch nicht mitkommen möchtest? Etwas hätt ich schon darüber nachgedacht, zwar nicht, ob ich noch mal fragen soll, sondern ob es mir egal war. Vielleicht hätt ich dann gesehen, wie Du Deine Zähne raus nimmst und neben das Waschbecken in der Küche stellst, wie große Stars das wohl machen, bevor sie sich schlafen legen. Meine zwei vorderen Schneidezähne sind mir abgebrochen und ich hab jetzt unechte Dinger, die auf den Käse treffen, den ich esse. Ich hab ja schon erwähnt, dass ich nicht besonders gut am Eis unterwegs bin. Ich bin beim Eisschuhlaufen hingefallen und hab's nicht mehr geschafft meine Hände aus den Taschen zu ziehen, die ich da rein gesteckt hatte, weil ich meine Handschuhe zu Hause vergaß oder weil ich gar keine hatte, vielleicht ließ ich sie ja schon eine Woche zu vor im Wald liegen, als ich sie ausziehen musste, um mir Zigaretten anzuzünden. Nicht, dass ich je geraucht hätte, aber ich hätt es wirklich gern, wenigstens einmal versucht. Aber was wär das für ein Gefühl, wenn ich sterben würde, mit der Gewissheit, dass ich alles getan hab, was ich je wollte. Da hätt ich dann vielleicht alles verstanden, und das wär dann eine ziemliche Leere. Wie am Wiesengrund, einer namens Alex vor sich hin singt und dazwischen Kluge Sprüche klopft. Aber wahrscheinlich hätt ich in dem Moment vergessen, alles schon einmal gesehen zu haben und dadurch all das wieder so gerechtfertigt, dass ich beruhigt sterben kann, auch wenn nur ein eingewachsener Zehennagel der Grund dafür ist." Linda sieht einen kleinen Moment etwas ernst. "Red nicht so viel vom Sterben, Du hast doch keine schlimme Krankheit. Ich hasse so Leute, die so dahin vegetieren und denken sie müssen mit ihren genialen Sprüchen von allen bewundert werden." Linda hat das Ernste im Gesicht schon wieder verloren. "Nein, ich sterbe nicht. Vermutlich nie." Er stößt sie ganz leicht. "Is gut. War wahrscheinlich dumm von mir. Genauso dumm, wie wenn man nach dem Tanken vergisst zu zahlen, gut, dass ich das nie vergesse, weil ich ja die Rechnung unbedingt haben will, weil ich ja die Umsatzsteuer zurückerstattet haben möchte. Hättest Du wissen müssen. Hätt Dir wahrscheinlich aber nichts gebracht." Billie-Joe zieht an seinem T-Shirt. "Es stinkt noch immer, obwohl wir jetzt schon einige Zeit hier draußen stehen, nach Zigarettenrauch, oder? Ja, könnte so was in der Richtung sein. Hat drinnen wer geraucht? Ich hab keinen gesehen. Aber es sieht sicher sehr hübsch aus, nachdem ich's gewaschen hab. Vielleicht werf ich's auch weg. Es hat mir nie gefallen. Ich sollte aufhören Gewand zu behalten, das mir nicht gefällt, irgendwann muss man sich nicht mehr belügen, ich meine, in meinem Alter, ist es auf diese Art oder Weise nicht notwendig. In anderen Bereichen ist es sowieso nicht abwendbar. Wohin würde das auch führen? Solang bis Dir dann wer Blumen vorbeibringen muss, weil Du Dich nicht mehr aus dem Haus traust. Scheiße, ich muss das echt weg werfen. Wär ja widerlich und dann verwelken die auch noch, weil ich einfach darauf vergesse, so wie den Hund, dem ich nichts mehr zu essen geb, weil er irgendwann darauf verzichtet mich daran zu erinnern. Hast Du einen Hund, so einen kleinen vielleicht, den man mit Ratten verwechselt und der dann in Deinem Bett schläft? Warum reg ich mich so auf? Peinlich ist das." Er tritt leicht gegen die Luft, ein Hund heult auf. "Ich versteh, warum Du Dich aufregst. Würde ja jeder. Da wo halt schreien nichts mehr hilft, da kann man sich ja nur noch aufregen. Furchtbar. Macht alles immer wieder zunichte. Aber die, die man damit totkriegen will, die hören einen sowieso nicht. Ahhh. Also würde man eine Straßenbahn zertrümmern und sich dann aufregen, dass man zu spät kommt. Ungefähr jeder würde das so machen, also warum nicht auch Du." Sie tritt auch, der Hund heult wieder. "Okay, wenn's dann jeder machen würde, ist es so also eh egal und dann hört mir erst recht keiner zu. Ach Scheiße, ich weiß gar nicht mehr weshalb ich hier bin. Ach ja ich war ja vorher hier drin, also bin ich ja gar nicht hier hergekommen, sondern schon am Heimweg. Möchtest Du mich nach Hause begleiten?" An seinem Gesichtsausdruck ist dieses Mal nichts auszusetzen. "Wie soll das funktionieren? Bitte bleib hier. Ich möchte, dass Du hier bleibst. Ich wüsste nicht, was ich sagen soll, wenn Du jetzt gehst. Außerdem war das jetzt zu abrupt, darauf war ich nicht, geschweige denn Du selbst, vorbereitet. Und das hätte dann ja keinen Sinn. Aber jetzt einfach so tun, als ob nichts gewesen wär, das klappt auch nicht mehr so recht. Vielleicht sollten wir kurz einsehen, dass Du es verhaut hast und so weiter tun, als wär was gewesen. Aber dann müsstest schon Du wieder damit anfangen. Zwar kann ich Dir Schlagwörter zuwerfen, aber sprechen müsstest Du schon selbst. Von alleine, wenn man so will." Linda hat sich, so dass es fast niemand gemerkt hat, einen zu langen Fingernagel abgebissen und kaut jetzt an diesem. "Du meinst ich kann nicht von alleine reden, mir selbst was einfallen lassen, dabei muss ich mir nicht mal was einfallen lassen, um mich mit Dir unterhalten zu können. Aber es stimmt vielleicht schon, einmal da hab ich mich so auf ein Wort fixiert, dass ich vergas, wie man meinen Namen ausspricht und nur ein Grunzen raus kam, das zwar den richtigen Betonungen ähnlich war, aber nicht mein Name. Ich musste dann in meinem Führerschein nachlesen, und es ein paar Mal wiederholen, bis ich es dann wieder schaffte ihn korrekt wiederzugeben. Das Wort war übrigens Himmelspförtner . . . . 2" Ja, schlagartig schlägt er sich auf den Kopf, zuerst nur mit einer Hand, dann auch mit der anderen. Er fällt auf die Knie, kann sich aber schnell wieder, ohne die Hände zur Hilfe zu nehmen, wieder aufrichten, schlägt sich noch einmal, zweimal selbst, dann hört er auf. "IIIeIooo." Flink holt er seinen Führerschein zum Vorschein, liest kurz darin, steckt ihn wieder weg. "Gut, ich glaub es geht wieder. War keine absichtliche Handlung, ich hatte in der ganzen Aufregung vergessen, dass ich eigenartig auf dieses Wort reagiere." Billie-Joe setzt so etwas wie ein kleines Lächeln auf, das für ihn um Verzeihung bitten soll. "Schon gut, langsam gewöhn ich mich daran. Zuerst hatte ich ja noch vor, sofort, mit panischen Gesten und viel Geschrei, vor Dir wegzurennen, aber als ich dann etwas zögerte, wusste ich sofort, ein kurzes Zögern, das bedeutet Sicherheit, also musste ich quasi stehen bleiben, ich kann mir doch nicht selbst was vormachen. Trotzdem, ich wär gegangen, wenn Du Dich noch angepisst hättest oder mich angekotzt hättest. Das wär's dann nicht mehr wert gewesen. Du hast so was doch nicht mehr vor, oder? Nein, hast Du nicht. Warum ich immer so misstrauisch sein muss? Peinliche Angewohnheit. Ich misstrau ja generell niemandem aus Prinzip, aber wenn jemand dann mit mir zu tun haben will, da hab ich dann sofort Zweifel. Zwar kann ich mich doch gut leiden, aber etwas verdächtig erschein ich mir da schon." Sie spuckt den Fingernagel wieder aus. "Also hast Du mir auch von Anfang an misstraut. Nein, lass mich raten. Du hast es nicht. Und jetzt bereust Du es, da Du es, da Du mich jetzt besser kennst und in den komischsten Eigenartigkeiten gesehen hast, doch besser getan hättest. Weil Du ja immer noch hier stehen musst, obwohl Du es vielleicht gar nicht mehr willst. Nein, würdest Du nicht. Du wärst gegangen. Mich hätt mal beinahe eine Straßenbahn überfahren, während ich mit jemandem gesprochen hab, den ich nicht leiden konnte. Er hat mich dann weggezogen und mir die Jacke abgeputzt, als wär ich zu Boden gefallen, was aber nicht der Fall war. Jedenfalls hab ich mich dann nicht einmal mehr verabschiedet und bin einfach davon gerannt. Ich hab ihn nie wieder gesehen." In dem Ärmel seiner Jacke lässt er seine Hand verschwinden. "Und hast Du ihn angerufen oder wenigstens versucht ihn zu treffen, um Dich bei ihm zu bedanken und zu entschuldigen? Er konnte deswegen vielleicht eine Woche nicht mehr einschlafen, hat ferngesehen, onaniert oder ist Pfeife rauchend am Balkon, in dieser Eiseskälte, gesessen und hat Sterne beobachtet und gehofft einer knallt runter und verbrennt das Haus, in dem Du gerade schläfst. Stell Dir vor, er hat kurz daran gedacht sich das zu wünschen, hat es dann aber doch nicht gemacht und Dir somit schon zweimal das Leben gerettet und Du hast nichts für ihn übrig, als Deine Furcht." Linda grinst erleichtert. "Du hast furchtbare Angst, dass ich abhauen könnte, oder? Deshalb machst Du das. Ich geh jetzt aber nicht. Auch wenn ich noch vorhatte, wenigstens abzuwaschen, was so in der Küche herumsteht. Aber nervös, wie ich jetzt bin hätt ich mich bestimmt heftig in den Finger geschnitten, vielleicht, weil ich ein Glas zerbrochen hätte, oder es war ein Messer. Und dann würde es mir wie Mona gehen, die ihren Arm verloren hat und dann Carl heiraten musste. Du kennst Mona nicht, ich auch nicht, persönlich. Aber das bisschen, was ich jetzt mehr an Vorsprung hab ist auch recht wenig. Also bringt das keinem was." Den Mund schon wieder verzogen, aber diesmal ein nicht mehr ganz so motiviertes Gesicht. "Aha, und was wolltest Du, dass es uns bringt? Eine gemeinsame Basis, über die wir trauern können. Also ich hab kein Mitleid mit ihr, das hat sie sich selbst zuzuschreiben, hätt sie ja nicht müssen, hat sie ja niemand gezwungen. Ach Scheiße, aber Du verstehst schon was ich meine." Billie-Joe kratzt sich verlegen mit etwa vier Fingern über den Hinterkopf. "Gut. Ich bin total froh, dass Du existierst." Es sehen sich die zwei an. Ohne Verlegenheit. Ein kleines Bisschen bleiben sie noch ruhig. Dann macht er weiter. "Vorhin hattest Du noch gar nicht den Eindruck erweckt so gewaltig etwas vor mir verheimlichen zu müssen, ich mein, man könnte fast sagen, Grundgütiger!! zum Kotzen. Ehrlich. Oder hältst Du Dich hier jetzt nicht daran? Es könnte ja sein. Aber woran sollte ich Dich sonst erkennen, wenn nicht an dem, was ich nicht gesehen hab? Und ich hab nicht sofort erraten wollen, dass Du so brutal sein kannst, oder meinst Du etwa Mona ist ein Vampir?! Blutrünstig und Zähne fletschend. Als ob ein jeder nicht ein bisschen das Verlangen nach Unendlichkeit hat oder wenigstens ein zwei Jahre länger, als einem versprochen wird, dass man leben darf. Aber man will ja immer mehr. Zumindest von dem was man hat. Von dem was man nicht hat, hat man ohnedies genug. Auch wenn es nicht im Entferntesten ausreicht. So wie das Gefühl, wenn man ein Überraschungsei aufmacht und es spritzt einem Eimerweise Blut entgegen und es hört nicht mehr auf und immer höher steigt es im Raum, weil der Abfluss verstopft ist von den ganzen Kakteen, die nicht gegossen wurden, oder wenn nicht die einspringen konnten, dann hoffentlich die kleinen Silberfischlein, die sich tonnenweise in der Badewanne stapeln, weil man einfach keine Lust hatte sich vor dem Hinauslaufen, die stinkenden und eitrigen Füße abzuwaschen. Ich vermute hätte man ein Spülmittel von Frosch genommen, dann hätten sie trotzdem überlebt. Man kauft ja nie das Richtige, einer geht dabei immer zu Grunde. Wenn's auch nicht auf Anhieb den Anschein macht, aber davon hat dann ja im, schonwieder, Grunde genommen wieder jemand profitiert, wenn's auch nur, was sag ich hier nur, glücklicherweise, die hübschen Silberfische waren, die in Wirklichkeit noch nie jemandem geschadet haben, außer vielleicht sich selbst, wie man von vornherein sich immer selbst daran erinnert, dass der Schlag ins Gesicht wirklich weh getan hat. Man bräuchte es doch nur einfach vergessen. Und Schwups wär kein Schmerz da, den man zu betrauern hat. Da bräuchte man auch nicht einmal die Zeitung, die einem das einleuchtend macht." Nach dieser Anstrengung muss er mit den Haaren, die sich am untersten Ende seines Hinterkopfes befinden, spielen. "Ich wünschte ich könnte mit Dir schlafen. So dass Dein Schwanz mich ganz ausfüllt. Ganz verliebt in das was passiert. Wir bräuchten dann nicht einmal das Licht ausmachen, um es romantisch zu haben, das würde klarerweise, gänzlich umhüllt mit Milch, sogar in der Mikrowelle leuchten, ohne, dass was passiert. Und wenn wir ganz brav sind und nicht daneben kleckern, dann müssten wir nicht aufräumen, bevor wir uns schnurstracks in den Wörthersee zum Schwimmen begeben. Ich würde dann einen Bauchfleck machen, weil eh keiner da ist, der mit mir schimpft. Und wenn ich untertauche halt ich mich an Deiner Hand fest und zieh Dich mit mir hinunter und dann blas ich Dir die Luft aus meiner Lunge über Deinen Mund in Deine Lunge und immer hin und her bis uns der Rücken schmerzt, weil sich zu viel Stickstoff in der Wirbelsäule gesammelt hat. Und im Mondlicht drehen wir uns dann langsam nach oben, um wieder nach Luft zu schnappen, wie Delphine oder Seeleoparden, denen hoffentlich keiner das Loch im Eis wieder zu gegraben hat. Spürst Du das? Die Gänsehaut, die sich dann bildet, wenn wir nach dem Baden wieder im Gras liegen und uns die Marienkäfer, als wären sie Ameisen, in Form einer langen Straße über den Bauch spazieren. Und wär es nicht so dunkel, ja dann könnten wir sie zählen, aber da wir nichts sehen, außer vielleicht das Leuchten unserer verliebten Augen, müssten wir sie essen, wie Popcorn, weil's so lustig kracht und knuspert, wenn man sie zerbeißt und sie im Mund zerplatzen wie Seifenblasen. Und ich würde nach Deiner Hand greifen und sie sanft streicheln, während Du verträumt dem Wind lauscht, der die Blätter über Dir von den Zweigen reißt, und sie dann im Wasser schwimmen lässt, wie kleine Boote, die sich aufmachen eine neue Welt zu finden, die noch nie jemand vor ihnen hatte erreichen dürfen. Eine neue Welt, wo sie sich dann wieder neu einpflanzen können und ein noch schönerer Baum werden dürfen, als sie sich das jeh erträumt hätten. Die Krone wiederum würde einem kleinen Zebra dann Schatten spenden, das sich am Strand an den kleinen, aber in hellem Schein erstrahlenden Gänseblümchen erfreut, die es nicht wagt zu essen, obwohl es ihm den Magen zusammenzieht, weil es schon seit Wochen nur auf dieses Gänseblümchen starrt, aber das herabfallende Blatt von unserem schönen Baum, stillt den Hunger und bringt nur bedingt Durchfall, was ja unbedingt, dem Baum wieder mehr Antrieb zum Wachsen verschafft, was wiederum nun der ganzen Zebra Herde ermöglicht Platz unter den Ästen zu finden, wie unter einer schwarzen Kappe mit Schild, die vom vielen Sonnenlicht schon ganz braun geworden ist. Ach könnten wir doch mitschwimmen mit diesen Blättern, uns auf sie setzen und uns treiben lassen, wie Federn zerzaust durch den vielen Wind, den es hier in den Sommernächten gibt, weil der See ja viel mehr ein Meer ist, als zu scheinen droht. Mit U-Booten und großen Tankern, die umschwirrt werden von Möwen, wie Motten vom Licht. Und so lichterloh würde auch unser Lagerfeuer brennen, welches wir uns auf unserem Blatt, mit dem wir über das Wasser, man könnte fast sagen, schweben, entzündet haben, um die vielen Fische und Quallen zu grillen, die vor lauter Freude über unseren Weg und das Ziel, das wir vor Augen haben, sich uns in den Schoß werfen und zum Verzehr anbieten, in der Gewissheit, dass wir sie sicher bald erlöst haben werden, von all ihren Qualen oder Quallen, die ihnen, der Unentdecktheit dieser fremden Welt, die wir zu entdecken im Begriffe sind, von den bösen milchtrinkenden Schachfiguren auferlegt wurden, die unterirdisch diese unentdeckte jungfräuliche Welt durch das viele Wasser lenken, das seinen Ursprung in einem kleinen Fässchen hat, das nur ein oder zwei Menschen je gesehen haben und die haben dann nicht einmal mehr gewusst woher sie es überhaupt zu kennen glaubten, weil sie ja nie in irgendeiner Form zu vermuten wagten, das Wasser und Fass in Wirklichkeit, also im echten Leben, den gleichen Boden haben und damit nicht von einander unterschieden werden können, es sei denn, man lässt das ganze Wasser in ein benachbartes Schwimmbecken umleiten, um so die Betrachtung auch aus einem anderen Winkel zu ermöglichen, um zu sehen ob der Boden dieses, ja doch schon veralterten Fasses, im Laufe der Jahre, durch die permanente Sonneneinstrahlung und dieses ständige zufrieren und wieder auftauen des eh schon mehr Meeres als Sees, eventuell, wie es ja bei solch einem Material durchaus üblich ist, also nicht zu verurteilen, einfach so, ohne zu fragen, morsch geworden ist. Also ich hätte da ehrlich gesagt meine Zweifel, ob das Ding so lange durchgehalten hat." Worauf sich Billie-Joe sich nicht mehr schlecht gekleidet fühlt, da er vergessen hat, dass er überhaupt etwas anhat. "Und was passiert mit den vielen Fischen, sterben die nicht in der gewaltigen Pumpe, die das sämtliche Wasser hinüber ins Becken befördert?" Linda muss kurz nach denken. "Darüber muss ich zu Hause nachdenken, das schaff ich jetzt nicht. Oder es kommt nur was Dummes dabei raus und die Fische täten mir dann wirklich leid. Also wenn sie tot wären. Und überall würdest Du bestimmt, Badehosen, Binkinioberteile oder sogar Jeans finden, von all den vielen Menschen aus Versehen verloren. Die könntest Du dann nur noch ausdrehen, wie ein rotes T-Shirt, das Du seit Monaten trägst und der Dreck würde rausrinnen, wie niemand je zuvor. Alles andere als schön. Oder wie Du halt damit umzugehen weißt. Ich meine vielleicht gefallen Dir ja fremde Badehosen und Du hängst sie im Zimmer auf. Hast Du schon, nein, ... okay, ... hast Du bestimmt noch nicht nachgedacht drüber, was Du wirklich noch machen möchtest heut Abend?" Als hätte er sie sich nach hinten gekämmt, sehen die Haare auf seinem Kopf plötzlich aus. "Rechnest Du damit von mir eingeladen zu werden? Zu Kaffee und Kuchen Action? Oder romantisch, ich meine verliebt, wie ich bin, wär das okay. Kann ich Deine Hand halten? Nur ein wenig." Linda streckt ihm die Hand entgegen, beide ziehen sie, aber ihre Hände im gleichen Moment zurück. "Stimmt. Du hast Recht. Lass uns noch kurz warten. Ich werde kurz meine Jacke ausziehen. Und sie hier hinter mich auf den Boden legen. Kannst aber näher kommen. Dein Pullover schlägt Falten, das ist mir vorher noch nicht aufgefallen." Billie Joe geht einen sehr kleinen Schritt näher. "Auch Du könntest enger an mich ran kommen." Linda geht einen großen Schritt auf Billie-Joe zu. "Bist Du noch nervös?" Billie-Joe hat schnell auf seinen Pullover geblickt. "Ja. Ich streck dann immer diesen Pullover so straff, dass die Falten nicht mehr sichtbar sind. Ha ha. In solchen Situationen, wünschte ich mir immer, ach Scheiße, ich bin nie in solchen Situationen. Ich müsste mich da schon mit dem Taxi hinbringen lassen, zu solchen Situationen, der Fahrer müsste ja eigentlich den Weg kennen. Aber dann wüsste ich erst recht nicht, wie ich mich verhalten sollte. Auch könnt ich hier den Taxifahrer abermals fragen, aber da ist er dann schon bestimmt weiter gefahren. Hält sich ja nicht mit so einem Scheiß auf. Da hätt er dann wohl seinen Job verpeilt. Aber nichts desto Trotz, ich wär einsam, wenn Du gehen müsstest. Ich würde Dich vermissen. Und den ganzen Heimweg über, wenn ich mich dann nach ein paar Stunden endlich aufgemacht hätte, hätte ich jedes Mädchen anstarren müssen und mich in jedes genau so verliebt wie in Dich. Weil ich es nicht ausgehalten hätte. Und genau das will ich vermeiden. Die Augen voll Tränen, einen Krampf im Fuß, ich wär recht schnell eingeschlafen, aber bald auch wieder aufgewacht. Dann wärst kurz Du in meinem Kopf. Ich hätte schon wieder auf den Küchenboden gekotzt, aber da die Sonne so vielversprechend scheint, wär ich rausgegangen. Eingekauft. So voller Zuversicht auf irgendwas starrend. Vielleicht wär ich auch hierher gekommen, is aber eher unwahrscheinlich, da Du ja auch nicht gekommen wärst. Also küsst Du mich kurz. Ich mein, ich wär jetzt bereit. Du trägst keinen Lippenstift, jetzt. Oder? Mich stört's nicht, auch wenn Du einen auf den Lippen hast, dann auch nicht. Gefiele mir sogar. Du könntest ihn, bei meiner Stirn angefangen, über den ganzen Körper verschmieren. Wenn Du es hier machst, dann zieh ich den Pullover aber danach ganz schnell wieder an, aber dadurch wär's ja nicht geschmälert oder abgeschwächt. Frühstücken müssten wir nur noch Hustenzuckerln oder Spinat-Omelettes und jeden Tag würde ich Dir erzählen, was die Nachbarin gesagt hat, als ich sie wie immer im Flur traf mit ihrem Hund. " Als würde sie die Luft, die er ausatmet einsaugen. Sie küsst ihn sehr kurz, geht wieder einen kleinen Schritt zurück. "War gut?" "Hätt nicht besser sein können." "Noch mal." "Nein, nicht sofort." "Ein Andermal?" "Nein, es geht schon wieder. Noch mal." Ein Kuss, genau so kurz wie der erste. "Hat's Dir wieder gefallen?" "Ja. Dir?" "War schön. Noch mal?" "Ja, gewiss." "Aber mach die Augen auf, diesmal, Du willst mich doch sehen oder willst Du Dir jemand anders vorstellen?" "Gut." Linda geht wieder auf ihn zu. Sie küssen. Wieder sehr kurz. Billie-Joe hebt den Arm ein bisschen nach oben, beinahe, als ob er aufzeigen möchte. "Ich seh Dich noch ein bisschen an. (Beat) Was hältst Du eigentlich davon ein Haus zu bauen, oder wenigstens eine schöne Wohnung zu kaufen? Immer, wenn ich zu Haus wär könnte ich Dir Feuer geben für die Zigaretten und wir würden Kakao trinken aus Weingläsern und uns küssen beim Schuhe anziehen." "Vermutlich das Schönste, das ich je gehört hab. Auch könnt ich Dir nachts heimlich die Haare schneiden, Deine Frisur finde ich scheiße. Meine Vermieterin trägt die Haare ähnlich. Okay tut sie nicht, aber halt um Dir die Dringlichkeit zu zeigen, mit der Du was dagegen tun musst. Du könntest es Dir wenigstens überlegen." "Vergiss es schnell wieder. Du würdest mich hassen, spätestens morgen, wenn Du merkst, dass Du mich nur meiner Frisur wegen liebst. Aber keine Angst, das ist jetzt kein Grund dafür auf dem Heimweg Mülltonnen zu zertreten. Wär vielleicht gar kein so großer Fehler. Aber in Wirklichkeit gefällt's mir nicht, wenn der ganze Dreck am Boden liegt, die Eisteeflaschen, die Videokassetten und das letzte bisschen Milch, das noch aus der Packung tropft. Klingt kitschig, oder? Man könnte ein Feuerzeug in die Luft strecken und dabei singen. Anderswo würden sich Katzen darauf stürzen und die Milch aufschlecken oder wenigstens nach Fischgräten suchen, aber meistens wird der Fisch nicht weggeworfen, den man tiefgekühlt auf Parkbänken isst. (Beat) Mir ist ein bisschen kalt." "Mhm, ja ich hab auch etwas spröde Lippen. Das merk ich vor allem, wenn ich sie etwas geschlossen halte, ich glaub das kommt, weil ich mir öfters mit dem Handrücken über den Mund fahre. Deshalb sollte ich Dich besser umarmen, als Dich zu küssen, da könnte ich Dir dann auch was ins Ohr flüstern. So leise und heimlich, dass Du etwas warten musst, um es wirken zu lassen. Soll ich kurz? Ja.?" Linda geht langsam auf Billie-Joe zu, umarmt ihn, behält das kurz bei und lässt ihn langsam wieder los, ihre Hand auch behutsam von seiner lösend. Die Finger der linken Hand streckt sie nacheinander aus. "Es ist immer noch ein klein wenig so, als ob mir kalt wär, es mir aber nichts ausmacht. Hoffentlich wird mir nicht schlecht." "Du strengst mich an." Sie halten sich für ein paar Augenblicke zurück. "Möchtest Du, dass es vorbei ist?" "Dass was vorbei ist? Der Strandurlaub, den wir hier veranstalten?" "Mhm." Billie-Joe nickt, und meint dieses "mhm" auch zustimmend. Wieder bleiben sie so, der Wind geht. "Weshalb hast Du mich vorhin nicht ausgelacht, als ich über Deine Haare geschimpft hab? Peinlich ist es schon, was ich hier veranstalte. Aber jetzt versteh ich, was Du damit gemeint hast, dass mir Deine Frisur schon bald gefallen wird. Du bist wunderschön." "Ich dachte, ich hätte es getan. Ich würde ja gern sagen, dass ich es sonst bei Gelegenheit nachhole, aber ich glaub ich werd's vergessen." Linda hält den Kopf und den Mund schräg. "Weißt Du, was hier am Strand noch fehlt?" Und sie schließt dabei die Augen, und als ob sie davon schweben würde, beginnt ihr Mund zu lächeln. "Etwa die Angst in der Flut zu ertrinken?" Versucht es auch kurz, kann die Augen, aber nur sehr kurz zu lassen. "Ja, genau das." Billie-Joe deutet mit dem Kopf an zu gehen. Sie gehen ein paar Schritte, sie strecken sich die Hände entgegen, halten sich daran. Nach ein paar Metern bleibt Linda stehen. Sie lässt Billie-Joe's Hand los. Sie sieht ihn an. "Weißt Du, wie lang ..." Ein Bus voll mit Touristen trifft Linda. Rund dreißig Meter weiter kracht er gegen eine Laterne. Billie-Joe hat den Mund offen, er sieht sich um, niemand ist zu sehen. Er blickt nach rechts, er sieht Lindas Jacke, die sie dort vergessen hat, wo die beiden vorher standen. Im Bus schreien ein paar Leute, aber nicht gerade laut. Billie-Joe geht zur Jacke, bückt sich zur ihr runter. Im Weggehen wirft er sie sich über die Schulter. Aus einem Ärmel dieser schwarzen Jacke träufelt Sand. Rot wie ihr Lippenstift.

[_____ schreib